Giulia Ascione


Eine ungeschriebene „Theorie des Vergessens“. 
Capri und die Amalfiküste als Erinnerungsorte bei Benjamin 

Ausgehend von Benjamins und Blochs Überlegungen zu Erinnerungsprozessen wird dieser Beitrag zeigen, wie ihr Aufenthalt auf Capri die Entwicklung neuer literarischen Formen beeinflusste, die sich in ihren Miniaturen nachweisen lassen. 
Blochs Essay „Bilder des Déjà vu“ erwähnt ein Gespräch mit Benjamin über Ludwig Tiecks Der blonde Eckbert; Tiecks Märchen stellt für Benjamin – wie er 1940 an Adorno schreibt – der locus classicus einer „Theorie des Vergessens“ dar. Obwohl die Theorie nie vollständig ausgearbeitet wurde, kann Blochs Essay, der das Déjà-vu-Erlebnis in Zusammenhang mit dem von Benjamin für seine Behandlung des Vergessens gewählten narrativen Modell bringt, einige Elemente zu ihrer Rekonstruktion beitragen. Wie Benjamins Bericht über einen Ausflug mit Bloch in Positano betont, steuert das Hören von Volkserzählungen und Legenden in Capri und an der Amalfiküste die subjektive Landschaftserfahrung und dabei erzeugt es Erinnerungen, die zwischen Traum und Wachen schweben. Daher scheint der Magnetismus des kampanischen Bodens die Praxis neuer Erzählformen anzuregen.  
In diesem Vortrag wird untersucht, inwieweit Der blonde Eckbert sowie solche von Gespenstergeschichten und Legenden erfüllte Orte Benjamins und Blochs Erinnerungstheorien inspiriert haben.