Alexandra Richter


Über- und Unterlebensformen am Rande des Vesuvs. Walter Benjamins Reflexionen über Leben, Entscheidung und politische Theorie während seines Aufenthalts im porösen Süden 1924.
Während seines Aufenthalts auf Capri 1924 erfährt Walter Benjamins Denken über das Leben eine markante Wende. In seinem Vorwort zu den Baudelaire-Übersetzungen „Die Aufgabe des Übersetzers“ (1923) fokussierte er noch sprachtheoretisch auf das Verhältnis von „Nachleben“ und „Fortleben“ von Werken. Doch mit dem Aufsatz zu Goethes Wahlverwandtschaften (1924) verschiebt sich sein Fokus. In Kritik an Gundolf und Dilthey thematisiert Benjamin die Krise der deutschen Bourgeoisie. Dabei rückt die Bedeutung von „Entscheidung“ in den Mittelpunkt, insbesondere durch die Gegenüberstellung der Novelle Die wunderlichen Nachbarskinder und Goethes Roman, dessen Figuren an Entscheidungsunfähigkeit scheitern. Diese Reflexionen setzt er in seinem auf Capri fertiggestellten Trauerspielbuch fort, wobei er nun verstärkt eine politische Kritik entwickelt, insbesondere an Carl Schmitts Souveränitätstheorie, verbunden mit einer Auseinandersetzung mit Benedetto Croce.